Chemie-Arbeitsblatt _ _ Klasse _ _ _ Name __________________________________________________________________Datum _ _ ._ _._ _

 

Textquelle 2:
Gabriele und Rolf Froböse: Lust und Liebe - alles nur Chemie? Wiley-VCH, Weinheim 2004

Manchmal verspürt Michael Heißhunger auf Schokolade

Bianca hat es längst durchschaut – Michael hat eine Schwäche für Schokolade. Wenn sie ihn überkommt, bleibt von der gerade angefangenen Tafel nicht viel übrig. „Ich hatte plötzlich so einen Heißhunger darauf", entschuldigt er sich regelmäßig. Da es nicht allzu häufig passiert, reagiert Bianca auf solche „Anfälle" im Allgemeinen mit einem Schmunzeln.

Im Prinzip besteht Schokolade zu einem wesentlichen Anteil aus relativ einfachen Grundstoffen wie Fett in Form von Kakaobutter sowie Kakaomasse, Milchpulver und Zucker. Das begründet ihren hohen Nährwert – in hundert Gramm der dunklen Köstlichkeit stecken viele hundert Kalorien. Hinzu kommen zusätzliche Geschmacksstoffe wie Vanille, Zimt und Nelken. In kleinen Mengen sind schätzungsweise 600 weitere Substanzen in Schokolade enthalten, darunter Theobromin, Coffein und Tryptophan – die besagte Vorstufe des „Glückshormons" Serotonin. Auch 2-Phenylethylamin ist in geringer Menge in Schokolade enthalten. Wegen seiner spezifischen Wirkung werden wir diesen Botenstoff im nachfolgenden Kapitel noch etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Demnach lässt Schokolade den Serotoninspiegel im Gehirn ansteigen, was wiederum dessen Fähigkeit ankurbelt, Impulse von Nervenzelle zu Nervenzelle weiterzuleiten. Möglicherweise hat es auch einen tieferen Grund, weshalb der Gipfel des Schokoladenkonsums in der Advents- und Weihnachtszeit liegt. Es ist eine Jahreszeit, in der manche Menschen von einem winterlichen Stimmungstief geplagt werden. Ein erniedrigter Serotonin-Spiegel im Gehirn könnte an diesem Wechselbad der Gefühle maßgeblich beteiligt sein.

So konnte in wissenschaftlichen Studien, die unlängst im Arbeitskreis von Professor Richard Wurtman vom Massachusetts Institute of Technology durchgeführt wurden, gezeigt werden, dass die Ernährung verblüffende Veränderungen im biochemischen Haushalt des Gehirns hervorrufen kann. In diesem Zusammenhang wurde auch festgestellt, dass Serotonin wohl maßgeblich an der Steuerung von Schlaf-Wach-Rhythmen beteiligt ist. In nachfolgenden Untersuchungen stellte sich wiederum heraus, dass der Serotonin-Spiegel im Gehirn offenbar von der Intensität und Dauer des Lichtes abhängig ist, das in unsere Augen fällt. Demzufolge hätte das Serotonin auch die Funktion einer inneren biologischen Uhr, die darüber entscheidet, wann ein Tier seinen Winterschlaf hält, und die auch uns Menschen anscheinend heute noch beeinflusst.

Fazit: Auch wenn Schokolade vergleichsweise geringe Tryptophan-Mengen enthält, stellt sie ein ebenso leckeres wie mildes „Antidepressivum" dar, das uns über die düstere und triste Winterzeit hinweghelfen kann.

Phenylethylamin - ein Stoff, der die Seele jubeln lässt

Bei unserer Rundreise durch die Welt der Hormone sind wir nun, an der letzten Station angelangt, dem Phenylethylamin - kurz PEA genannt. PEA ist, wie die anderen Hormone auch, eine körpereigene Substanz. Daneben findet sich PEA unter anderem im Bittermandelöl sowie - wie bereits erwähnt - in Schokolade. Ähnlich wie Serotonin ruft das Hormon eine starke psychische Wirkung hervor, woraus sich erklären lässt, dass PEA auch als Grundgerüst in einer Reihe halluzinogener Drogen enthalten ist.

Erste Hinweise auf eine starke psychogene Wirkung des PEA förderte eine britische Studie zutage. Sie zeigte, dass depressive Menschen oftmals eine unterdurchschnittliche Konzentration an PEA im Blut aufweisen. Umgekehrt zeigten nachfolgende Untersuchungen, dass die Konzentration an PEA nach körperlicher Betätigung um durchschnittlich 77 Prozent in die Höhe schnellte, was wiederum mit positiven Begleiterscheinungen für die Psyche verbunden war.

In gewisser Weise kann PEA in seiner Wirkung also mit Adrenalin verglichen werden, da es in ähnlicher Weise den Blutdruck erhöht und die Pulsfrequenz steigert. So zeigte sich, dass die PEA-Werte von Fallschirmspringern unmittelbar nach einem Absprung signifikant erhöht waren. In ganz ähnlicher Weise sollen die PEA-Werte nach einer Fahrt mit der Achterbahn erhöht sein.

Dies trifft anscheinend auch für die „Achterbahn der Gefühle" zu, denn für einen Anstieg der PEA-Werte können sexuelle Stimulierungen, sei es durch die Lektüre von Liebesromanen oder erotische Tagträumereien, verantwortlich sein.

Der Fahrstuhl in den „Siebten Himmel" stinkt nach Fisch

Einige Forscher in den USA vermuten sogar, dass PEA als Auslöser der romantischen Liebe fungiert, was aus der Sicht des Chemikers schon reichlich erstaunlich ist. Warum soll ausgerechnet Phenylethylamin – in reiner Form eine ölige und nach Fisch und Ammoniak riechende Flüssigkeit – für Verliebte wie ein „Fahrstuhl in den Siebten Himmel" wirken?

PEA, so vermuten Forscher wie der australische Chemiker Dr. Peter Godfrey von der Monash-Universität in Melbourne, sei unter anderem für die feuchten Hände der Verliebten, für den Kloß im Hals und die Schmetterlinge im Bauch verantwortlich. „Eines Tages könnte es möglich sein, synthetische Drogen herzustellen, die uns die Euphorie der ersten Liebe vorgaukeln," mutmaßt er. Allerdings denkt er nicht daran, sich an derartigen Versuchen maßgeblich zu beteiligen.

„Wir denken eher an die Potenziale dieses Hormons im medizinischen Bereich," unterstreicht der Wissenschaftler. So gebe es Hinweise, dass PEA eines Tages zur Behandlung motorischer Störungen wie bei der Parkinson'schen Krankheit eingesetzt werden könnte. Die Untersuchungen seien aber längst noch nicht abgeschlossen.

Bislang ungeklärt ist auch, ob PEA allein oder im Rahmen einer Kaskade von biochemischen Reaktionen, an denen sowohl Neurotransmitter als auch das „Kuschelhormon" Oxytocin beteiligt sind, eine Rolle spielen. Unstrittig ist hingegen, dass die Woge der Gefühle im Gehirn beginnt und sich anschließend in Bruchteilen von Sekunden im ganzen Körper ausbreitet. Der Vergleich mit einer stimmungsaufhellenden Droge bietet sich also förmlich an.

Doch so rauschhaft die Wirkung der körpereigenen Droge auch sein mag, sie hält nicht lange vor. Nach spätestens zwei bis drei Jahren, so glauben die meisten Forscher, gewöhnen sich die Nervenenden im Gehirn an die erhöhten PEA-Werte. Der Reiz klingt ab und die Phase der Verliebtheit ist, zumindest neurochemisch betrachtet, vorüber. Das muss nicht unbedingt von Nachteil sein.

„Für manche ist es das Ende der Liebe und Langeweile setzt ein –für andere ist es aber erst der Anfang," meint der polnische Chemiker und Pädagoge Prof. Dr. Janusz Wisniewski von der Universität Warschau. Seiner Meinung zufolge verkörpert diese Phase einer Partnerschaft den Übergang von romantischer Liebe zum komplexen Glück einer gereiften Beziehung.

Auch die New Yorker Anthropologin Helen Fisher meldet sich bei dem pikanten Thema wieder einmal zu Wort. Für die Wissenschaftlerin übernimmt PEA im Rahmen der Evolutionsgeschichte eine wichtige Rolle. Es hält ein Paar so lange zusammen, bis sein Kind die schwierigen ersten Jahre überstanden hat. Bei archaischen Völkern wie den australischen Aborigines, den Eskimos und den Amazonas-Indianern werden die meisten Kinder tatsächlich im Abstand von vier Jahren geboren. Andererseits steigt laut einer Untersuchung in 61 Kulturen der heutigen Welt die Scheidungsrate bis zu einem Gipfel um das vierte Ehejahr an und fällt danach wieder ab. Inwieweit sich Schokolade hier segensreich auswirken könnte, darüber schweigt sich die Anthropologin allerdings aus.

Arbeitsaufträge:

1. Studiere sorgfältig den Text!

2. Schreibe alle dir unbekannten chemischen Verbindungen heraus!

3. Welche Stoffe in der Schokolade wirken wie auf das Gehirn und die Psyche ein? Wie sieht der Zusammenhang zwischen Serotonin und Phenylethylamin?

4. Stelle die Wirkungsweise in Diagrammen dar

Quelle: Gabriele und Rolf Froböse: Lust und Liebe - alles nur Chemie?, Weinheim 2004 WILEY-VCH-Verlag

update am: 02.02.21                                                                                                                                                                                zurück     zur Hauptseite