Textquelle 3:
Georg Schwedt: Was ist wirklich drin? , Wiley-VCH, Weinheim 2006
Cacao – das
anregend-süße Getränk
CLAUDIA bevorzugt jedoch im Allgemeinen
Kakao. Ihre Lieblingsmarke (Nr. 29) kommt aus Holland. Um die
Funktion der Säureregulatoren verstehen zu können, beschäftigt
sie sich mit dem Verfahren der Kakaopulvergewinnung. |
Nr. 29
Cacao Edles Aroma
(Holländische Spitzenqualität).
Zutaten: Kakaopulver, Säureregulatoren:
Kaliumcarbonat und Natriumhydroxid |
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Nachdem die Samen von dem
weißlichen Fruchtfleisch manuell befreit worden sind, folgt die
Fermentation. Dabei wird das restliche Fruchtfleisch aufgelöst,
es bilden sich Vorstufen der späteren Aromastoffe und es
entsteht die dunkle Farbe der Kakaobohnen. Das einfachste
Verfahren der Fermentation besteht in der Trocknung in dünner
Schicht im Freien. Sie führt zu einem Restgehalt von unter 6 %
an Wasser. Nach dem Reinigen und Sortieren werden die
Kakaobohnen bei 120 bis 140 °C geröstet. Zur Abtrennung
der Schale und der Keimwürzelchen werden die gerösteten Bohnen
gebrochen. Der so genannte Kakaobruch wird mechanisch in
geheizten Walzen zerkleinert und liegt nun als Kakaomasse vor.
Durch Pressung bei 100 °C wird aus ihr ein Teil der so genannten
Kakaobutter (pflanzliches Fett) entfernt. (Kakaobutter ist
übrigens auch eine Basis für Lippenstifte!) Die
Ausgangskakaomasse enthält bis zu 54 % an Fett. Zur Herstellung
von Kakaopulver muss die entölte Kakaomasse aufgeschlossen
werden, da sie sich im Getränk sonst schnell am Boden des
Gefäßes absetzen würde – und dazu werden die in der Zutatenliste
angegebenen Säureregulatoren Kaliumcarbonat (Pottasche – aus der
Lebkuchenbäckerei bekannt) und |
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Natriumhydroxid
benötigt.
Anschließend kann der Überschuss an
beiden Säureregulatoren z. B. mit Citronensäure
neutralisiert werden. Durch dieses so genannte
Alkalisieren wird die Dispergierbarkeit des Kakopulvers
(in Milch) verbessert und es werden Geschmack und Farbe
beeinflusst. (Nach der Kakao-Richtlinie
2000/36 der EG sind die Anforderungen an Kakaopulver
wie folgt definiert: mindestens 20 % Kakaobutter in der
Trockenmasse, maximal 9 % Wasser.)
Mit Kakaopulver ist vor allem auch
der Name van Houten verbunden. Dem
Niederländer C. van Houten gelang es bereits 1828 den
hohen Gehalt an Kakaofett zu reduzieren und machte damit
den Weg frei zum Kakaogetränk. Im Volksmund werden
sowohl das Getränk als auch das Pulver Kakao genannt.
Wie zum Vergleich mit dem oben beschrieben
Herstellungsverfahren vor fast 170 Jahren Kakao
hergestellt wurde, verrät er in Auszug aus „Bilder-Conversations-Lexikon
für das deutsche Volk. Ein Handbuch zur Verbreitung
gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung" des
Brockhaus-Verlages in Leipzig von 1837:
„Cacaobaum. ( ... ) Das ganze
Jahr erzeugt der Baum Blüten und Früchte, welche
jährlich zweimal gesammelt werden, um die in dem eßbaren
weißen Marke derselben enthaltenen 20-30 länglichrunden
Samenkerne, die sogenannten Cacaobohnen, zu
erhalten. Nachdem diese vom anhängenden Fleische
gereinigt sind, werden sie in Gruben oder Fässer
geschüttet, unterliegen darin einer Art Gährung,
verlieren dadurch ihren ursprünglich herben und bittern
Geschmack und erhalten ein rothbraunes Ansehen. Sie
werden herauf an der Sonne getrocknet und sind nun zum
Versenden als Handelsartikel und zur weitern Benutzung
als ein der Gesundheit sehr zuträgliches, vorzüglich
kräftiges Nahrungsmittel geeignet, für welchen Zweck sie
in Amerika verschiedenen Zubereitungen unterliegen.
Hauptsächlich werden sie aber zu dem auch bei uns unter
dem Namen Chocolade allgemein bekannten,
nahrhaften Getränke benutzt, welches die Spanier nach
der Entdeckung von Amerika bei den |
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Mexikanern kennen
lernten und 1520 nach Europa verpflanzten, wo jedoch die
Fabrikation der Chocoladenmasse nicht vor dem 17. Jahrh.
betrieben ward. Bei der einfachsten Bereitung derselben werden
die Bohnen gelind geröstet, von der Hülse befreit und in einem
erhitzten Mörser gestoßen, wodurch bei ihrem reichen Ölgehalte
eine butterartige Masse entsteht. Nachdem diese noch auf einer
erwärmten Steinplatte mit einer eisernen Walze nach Art des
Nudelteiges durchgearbeitet und dabei allmälig mit dazu
bestimmten Zucker und Gewürz vermischt worden ist, wird die
Masse in größeren oder kleinern Portionen abgewogen und in
Formen von Weißblech getan..." |
Vergleicht man beide Verfahrensweisen, so hat sich
offensichtlich am allgemeinen Prinzip nicht viel geändert. In der
„Warenkunde des Kolonialwaren-Einzelhandels" (3. Auflage von F.W.
Schulze - „Aus der Praxis für die Praxis" 1936 - 1. Aufl. 1930 von der
EDEKA herausgegeben) wird das Kakaopulver wie folgt beschrieben:
„Bei der Verarbeitung der Kakaomasse zu
Kakaopulver wird diese durch hohen Druck entfettet. Dieser Prozess
geht etwa bei 100 Grad Celsius und unter einem Druck von 600
Atmosphären vor sich. Die gewonnene Masse wird gemahlen. Man
bezeichnet sie als entölten Kakao. Er kann stark oder
schwach entölt sein. Das aus der Kakaomasse abgepresste Fett
nennt man Kakaobutter. Diese Art der Herstellung von Kakaopulver ist
aber eine sehr primitive. Ein so hergestelltes Kakaopulver hat die
Neigung zur Klumpenbildung. Es löst sich in Milch und Wasser schwer
auf. Um die schnellere und möglichst weitgehende Verteilbarkeit des
Pulvers zu erreichen, wendet man ein anderes Verfahren an. Man
‘schließt den Kakao’ auf. Da dieses Verfahren zuerst in Holland
angewandt wurde, finden wir für ‘aufgeschlossenen’ Kakao häufig noch
die Bezeichnung ‘Holländischer Kakao’. In Holland zuerst
wurde der Kakao, damit er die gewünschte Eigenschaft erhielt, mit
Soda oder Pottasche (Alkalien) behandelt. In den deutschen Fabriken
wird statt dessen Hirschhornsalz, kohlensaurer Kalk, Magnesia oder
Ammoniak verwandt. Die Bevorzugung des so genannten holländischen
Kakaos beruht darauf, dass in Holland am frühesten mit der einfachen
Methode der Verarbeitung der Kakaomasse zu Kakaopulver gebrochen
wurde. Heute bestehen keine Unterschiede mehr in der Herstellungsart
zwischem deutschen und holländischen Kakao.
Infolge seines hohen Fettgehaltes – er ist noch
etwas höher als derjenige der Kakaobohne – hat das Kakaopulver einen
bedeutenden Nährwert. Fettarme Kakaopulver sind kenntlich an ihrem
strohigen Geschmack.
Die Farbe des Kakaopulvers soll hellbraun sein.
Sie darf weder ins Graue schimmern, noch grau aussehen. Der Geruch
soll rein sein. Der Ware darf kein Ammoniakgeruch anhaften. Der
Geschmack hat nicht laugenhaft, sondern angenehm und milde zu sein.
Das Kakaopulver soll fein zerrieben und trocken sein. Es darf sich
nicht zu Klumpen ballen und muss sich beim Zusammendrücken ungefähr
wie Wolle anfühlen. Um die Löslichkeit festzustellen, rührt man eine
Menge Kakaopulver von 5 bis 10 g in 250 g heißem Wasser oder heißer
Milch in einem Maßgefäß an. je länger sich das Pulver schwebend
hält, desto besser ist die Aufschließung erfolgt.«
Der so genannte Aufschluss des Kakaokernbruchs mit
Alkalien mildert den Geschmack durch eine teilweise Neutralisation der
Säuren (entstehen bei der Fermentation: vor allem Essigsäure,
Citronensäure und Oxalsäure), vertieft die Farbe, macht das Kakaopulver
benetzbar und erhält es im Kakaogetränk länger suspensionsfähig. Neben
der Neutralisation der sauren Anteile wird eine Verquellung der Stärke
und eine Lockerung des Zellgefüges erzielt. Eine normale Tasse Kakao
enthält 10 mg Coffein (etwa 10fache Menge in einer Tasse Kaffee) und 100
mg Theobromin. Beide Substanzen haben eine anregende Wirkung, beim
Theobromin ist sie jedoch im Vergleich zum Coffein weniger ausgeprägt.
Der Coffeingehalt im Kakaopulver liegt bei 0,2 % im Vergleich zu
Gehalten zwischen 2,5 und 5,4% im löslichen Kaffeepulver.
Als Schokoladenpulver entdeckt CLAUDIA neben
ihrem Lieblingskakao ein Produkt mit folgenden Angaben (Nr. 30), das
sich wesentlich von ihrem Cacao unterscheidet. Im Unterschied zum
Kakaopulver (Nr. 29) handelt es sich hier um ein Erzeugnis aus einer
Mischung von Kakaopulver und Zuckerarten (Saccharose = Zucker und
Milchzucker). Nach einer neuen Kakaoverordnung aus dem Jahr 2003 handelt
es sich um eine Trinkschokolade.
Claudias Mutter ANNA möchte noch mehr über
die Geschichte des Kakaos wissen. Aus dem schon genannten
Gourmet-Handbuch (von Udo Pini, Köln 2000) erfährt sie zunächst,
dass gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch den Einsatz von
Zucker und Hitze der Kakao seine Bitterkeit verlor und so zum
aromatischen Heißgetränk wurde. Dieses wurde zunächst noch
kräftig gewürzt (s. o.) – nämlich mit Pfeffer, Nelken, Muskat,
Zimt, Anis, Orangensaft oder Rosenwasser. Noch mehr Einzelheiten
erfährt ANNA beim Nachlesen in der historischen Warenkunde von
1870: |
Nr.30
Schokoladenpulver cremig-feine Trinkschokolade.
Zutaten: Schokoladenpulver 46,4% (Zucker, Kakao
15,6%, Emulgator Sojalecithine, Aroma Vanillin),
Magermilchpulver 16,6%, gehärtetes Pflanzenfett, Zucker,
Salz. |
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„Cacao. Unter den Genußmitteln, die die
Europäer erst durch die Entdeckung von Amerika kennen lernten,
verdient die Cacaobohne eine hervorragende Stelle, denn sie nährt
den Leib und heitert zugleich den Geist auf. Die Spanier fanden bei
ihrer Ankunft in Mexico den Baum schon von langen Zeiten her im
Anbau und der aus seinen Fruchtkernen bereitete Nationaltrank
Tschokolatl mundete ihnen ebenso wie vielen Europäern nach ihnen.
Die Bohne bildete im Aztekenreiche selbst die Scheidemünze und
manche Provinzen zahlten ihre Steuern nur in solcher. ( ... )
Der Vorliebewerth des Cacaotranks ist bei
verschiedenen Völkerschaften auch ein verschiedener. Wo die Menschen
so entschieden den Thee vorziehen wie in England, Holland und
Rußland, oder wo sie wie in Deutschland, Frankreich, dem Orient, dem
Kaffee mehr ergeben sind, bilden die Cacaofreunde eine, doch
immerhin beträchtliche Minorität; dagegen liefert die letztere Bohne
das eigentliche Natrionalgetränk für alle spanischen Abkömmlinge in
Amerika, für Spanien selbst und für Italien...."
Aus der neueren Literatur kann ANNA noch weitere
Informationen entnehmen: So wurde Kakao in europäischen Ländern
außerhalb von Spanien erst zwischen 1610 und 1650 bekannt. Seit den
1950er Jahren hat sich die weltweite Kakaoerzeugung erheblich erhöht.
Die Elfenbeinküste und Brasilien sind vor Ghana, Malaysia und Nigeria
seit Mitte der 1990er Jahre die wichtigsten Erzeugerländer. Wegen eines
Überangebotes auf dem Weltmarkt trat 1994 zur Marktregulierung das
»Internationale Kakaoabkommen« (ICCA) in Kraft, dem sowohl die
wichtigsten Erzeuger- als auch Verbraucherländer angehören.
Arbeitsaufträge:
1. Studiere sorgfältig den Text!
2. Schreibe alle dir unbekannten chemischen
Verbindungen heraus!
3. Beschreibe und begründe das Verfahren der
Kakaopulverherstellung. Vergleiche insbesondere die Beschreibung von
heute (S.1.) mit den Verfahren aus den Jahren 1837 und 1930.
4. Beschreibe die geschichtliche Verbreitung von
Kakao. Quelle: Georg Schwedt: Was ist wirklich
drin? Produkte aus dem Supermarkt, Weinheim 2006 WILEY-VCH-Verlag update am:
02.02.21
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