Chemische
Bindungsarten
Die Chemie unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Bindungsarten:
I) Primärbindungen und II) Sekundärbindungen
I.
Zu den
Primärbindungen
gehören |
1. |
die Ionenbindung |
2. |
die Molekülbindung, oder auch Atombindung, kovalente oder
homöopolare Bindung genannt |
3. |
die Metall- oder metallische Bindung |
II. Zu den
Sekundärbindungen
gehören |
4. |
die Wasserstoffbrückenbindung |
5. |
die Dipol-Dipol-Bindung |
6. |
die Van-der-Waals-Bindung |
I.1. Die Ionenbindung
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Die Ionenbindung entsteht durch
Abgabe bzw.
Aufnahme von Elektronen (Elektronentransfer, Elektronenübergang)
aus den äußersten Elektronenschalen der Atome. In der Regel tritt sie
als Bindung zwischen
Metallen und
Nichtmetallen
auf.
Stofflich gesehen findet sich die Ionenbindung v.a.
bei den sogenannten „Salzen". Dieser Verbindungstyp bestehen aus einem
positiv geladenen Kation
(Ladungsüberschuss der positiven
Ladungen [Protonen] im Kern) und einem negativ geladenen
Anion
(Ladungsüberschuss der negativen Ladungen [Elektronen] in der äußersten
Schale.
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Der Ladungsüberschuss/ ~mangel kann mehrfach auftreten und wird
durch die entsprechende Anzahl von Ionen ausgeglichen:
Ionenverbindungen
sind neutral. Durch den Übergang (Abgabe/Aufnahme) von einem
oder mehreren Valenzelektronen aus der/den äußersten Schale/n
erreichen die so gebildeten Ionen in ihren Verbindungen
energetisch stabilere Zustände [Born- Haber-Kreisprozess],
die so genannten „Achterschalen". Diese entsprechen - in
einem vereinfachten Ansatz - in ihrer Elektronenzahl dem
vorangegangen bzw. nachfolgenden Edelgas, weswegen die so
erreichte Elektronenverteilung als „Edelgaskonfiguration"
bezeichnet wird. Die durch Elektronenabgabe/ -aufnahme
entstandenen Ionen „haften" anein-ander, d.h. sie
ziehen sich wegen ihrer unterschiedlichen Ladungen gegen-seitig
an. Diese sehr feste Anziehung führt zu einer geordneten
kristallinen Struktur im festen Zustand, zu hohen Schmelz- und
Siedepunkten, zur elektrischen Leitfähigkeit im
geschmolzenen oder gelösten Zustand. |
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In Lösungen (s. Abb. 2)
umgeben sich die Ionen deswegen mit einer Hülle aus polaren
Wassermolekülen (Hydration oder Hydratation, Ergebnis: Hydrathülle).
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1.2. Die
Molekülbindung - Atombindung - kovalente Bindung
Bei der Molekülbindung wird unterschieden in 1. Bindungen zwischen
gleichartigen Atomen und 2. Bindungen zwischen ungleichartigen Atomen. |
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1. Unpolare Molekülbindung:
Die unpolare Molekülbindung entsteht durch
Bildung gemeinsamer Elektronenpaare zwischen den beteiligten
Atomen des gleichen Elements. Durch die Bildung gemeinsamer
Elektronenpaare (eines oder mehrere) wird die gegenseitige
Abstoßung der positiv geladenen Atomkerne bzw. Atomrümpfe
verhindert. Das gemeinsame Elektronenpaar „gehört" beiden
Bindungspartnern und verteilt sich symmetrisch auf einer
gedachten Achse zwischen den Atomkernen. Dadurch erfüllen die an
der Bindung beteiligten Atome die „Oktettregel", d.h. beide
Partner kommen in den „Genuss" einer voll gefüllten
Achterschale. Energetisch erreichen beide Bindungspartner einen
niedrigeren
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Energiezustand als jeder Partner alleine mit
einem ungepaarten Elektron. |
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2. Polare Atombindung:
Sie entsteht dadurch, dass einer der beiden Bindungspartner
mehr Anziehungskraft auf das gemeinsame Elektronenpaar ausüben
kann als der andere. Dadurch kommt es zu einer
Ladungsverschiebung oder Ungleichverteilung
des gemeinsamen
Elektronenpaares: es entsteht ein Dipol. Hervorgerufen wird dieser
Effekt durch bestimmte Eigenschaften eines Bindungspartners, die
in dem Begriff der „Elektronegativität"
zusammengefasst werden. Die Elektronegativität gibt an, wie stark
ein Partner einer Molekülbindung das gemeinsame Elektronenpaar zu
sich verschieben kann. Das Ausmaß der Ladungsverschiebung wird
dann durch die Elektronegativitätsdifferenz deutlich.
So entspricht eine EN-Differenz von ca. 1,7 einer 50%-igen
Ionenbindung, eine Differenz von 1,2 einer 30%-igen Ionenbindung
usw. Mit anderen Worten: bei jeder polare Atombindung kann ihre
Polarität auch über einen bestimmten Ionenbindungsanteil
verdeutlicht werden. |
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Folgende
Tabelle 1 verdeutlicht eine
praktikable Einteilung: |
An der Bindung
beteiligte Atome |
Elektronegativitäts-differenz nach Pauling |
Formel |
Charakter der
Bindung |
Ionenbindungsanteil |
Br, Br |
0 |
|
kovalent unpolar |
0% |
H, Cl |
0,9 |
|
kovalent polar |
20% |
S, F |
1,5 |
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kovalent polar |
45% |
Na, F |
3 |
Na+F- |
Ionenbindung |
90% |
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I.3. Die
Metall- oder metallische Bindung
Metalle bilden in der Regel ausgedehnte,
dreidimensionale metallische Gitter. Das
Elektronengasmodell
erklärt die metallische Bindung zwischen den Atomen
folgendermaßen: die Metallatome besetzen als Atomrümpfe die
Plätze in einem Gitter. Atomrümpfe sind die Rest-Atome ohne ihre
Valenzelektronen. Diese können sich wie ein Gas zwischen den
Atomrümpfen bewegen. Die freie Beweglichkeit der Elektronen
zwischen den Rümpfen führt zu einer erhöhten Elektronendichte
zwischen den Atomen und damit zu einer Bindung der Atomrümpfe
untereinander über die frei beweglichen Elektronen. Das sog.
„Energiebändermodell" beschreibt die metallischen Bindung auf
der Grundlage eines anderen Atommodells („Orbitalmodell"). |
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II. Zu den
Sekundärbindungen
gehören |
4. |
die Wasserstoffbrückenbindung |
5. |
die Dipol-Dipol-Bindung |
6. |
Die Van-der-Waals-Bindung |
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II.4. Die Wasserstoffbrückenbindung
Struktur:
Die Wasserstoffbrückenbindung ist eine
besondere Art der
Dipol-Dipol-Bindung: ein H-Atom wirkt als Brücke zwischen
zwei stark elektronegativen Atomen, wobei es mit dem einen
Atom durch eine polare kovalente Bindung
und mit dem anderen durch elektrostatische Kräfte
verbunden ist.
Entstehung:
Ist Wasserstoff an ein stark elektronegatives Atom gebunden, so
wird die bindende Elektronenwolke überwiegend in
Richtung auf das
elektronegativere Atom verzerrt
und somit der Wasserstoffkern partiell freigelegt.
Die positive Ladung des nur schwach abgeschirmten
Wasserstoffkerns wird durch die negative Ladung der/des freien
nichtbindenden Elektronenpaars/~paares in einem anderen Molekül
angezogen. |
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Stärke:
Diese Anziehung ist mit einer Stärkevon ca. 20 kJ/mol viel
geringer als diekovalente Bindung, die eine Bindungsenergie von
ca. 200 bis 400 kJ/mol aufweist. Jedoch ist sie viel
ausgeprägter als andere Dipol-Dipol-Anziehungen.
Darstellung:
WBB werden in Formeln i.a. als gestrichelte Linien
wiedergegeben:
Auftreten:
WBB sind nur dann von Bedeutung, wenn beide an der Bindung
beteiligten Atome zu der
N O F -Gruppe
gehören: nur
Wasserstoff, der an diese drei Elemente gebunden ist,
wird so stark in der kovalenten Bindung polarisiert, und nur
diese drei Elemente sind elektronegativ genug, dass die
notwendige Anziehung zustande kommt. Die außergewöhnliche
Wirkung beruht auf der hohen negativen Ladung, die auf ihren
kleinen Atomkern konzentriert ist.
Im Wasser ist die
Wasserstoffbrückenbindung verantwortlich für Erscheinungen wie
die Anomalie des Wassers, das Schwimmen von Eisbergen, die
Bildung von Eiskristallen usw. Biologisch ist die WBB von
höchster Bedeutung für das Leben, der Spannungsbogen reicht von
der Struktur der Eiweiße über die der DNS bis zur Funktion von
Enzymen. |
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II.5. Die Dipol-Dipol-Bindung
(DDB)
Ähnlich wie bei der WBB ist eine
starke
Elektronegativitätsdifferenz
in einem Molekül
Voraussetzung für eine DDB: durch die permanente Verschiebung
der Ladung entstehen Dipole, die sich gegenseitig
elektrostatisch anziehen, ohne jedoch Ladung zu übertragen. Die
DDB existiert nur in sog. „Nahbereichen", d.h. nur eine
kleine Anzahl von Molekülen ist z.B. in einer Flüssigkeit so zu-
und aneinander orientiert, dass man von einer „Nahordnung"
sprechen kann. Die Wärmebewegung der Moleküle („Brownsche
Bewegung") stört diese Nahordnung immer wieder, andererseits
baut sie sich immer wieder neu auf. Moleküle gleicher Masse
sieden beim Vorliegen einer DDB tiefer als Moleküle mit WBB.
Wenn in einem polaren Molekül kein an ein
NOF-Atom
gebundenes Wasserstoffatom vorliegt, wirkt die DDB.
Auch das Wassermolekül besitzt
diese Dipol-Struktur aufgrund der unterschiedlichen
Elektronegativitäten der Bindungspartner Wasserstoff und
Sauerstoff. Allein für die Bindung unter den Wassermolekülen ist
die WBB verantwortlich.
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II.6.
Die Van-der-Waals-Bindung
Die schwächste
aller Sekundärbindungskräfte ist die Van-der-Waals-Kraft. Ihr
Zustandekommen wird dadurch erklärt, dass in an für sich
unpolaren oder nur schwach polaren Molekülen zufällige Ladungs-
verschiebungen stattfinden. Aus einem unpolaren Molekül wird für
den Bruchteil einer Zeiteinheit ein schwach polares Molekül, das
auf seine Nachbarmoleküle polarisierend wirkt: der induzierende
Dipol induziert andere Moleküle zu Dipolen (induzierte Dipole).
Da die Ungleichverteilung der Ladung nur geringfügig ist, und
zudem zeitlich nur kurz dauert, kommt es immer wieder zu
unterschiedlichen Ladungsverteilungen: ein induzierter Dipol
kann im nächsten Moment neutral sein und dann wieder als
|
induzierender Dipol wirken. Vor allem
die Größe der Oberfläche eines Moleküls wirkt sich günstig auf die
VdWK aus: Je größer die Oberfläche, desto stärker die VdWK. Bei
höher- und hochmolekularen KW kann die VdWK die WBB übersteigen,
vielfach sind VdWK dafür verantwortlich, dass hochmolekulare
Stoffe keinen definierten Schmelz- und Siedepunkt haben, sondern
sich beim Erwärmen zersetzen. |
Tabelle 2: Kräfte zwischen Ionen und Molekülen |
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Typ der
Wechsel- wirkung |
typische
Energie [kJ/mol] |
wechselwirkende Teilchen |
Ion-Ion |
250 |
nur zwischen
Ionen |
Ion-Dipol |
15 |
Ionen und polare
Moleküle |
Dipol-Dipol |
2 |
zwischen ruhenden
polaren Molekülen |
Van-der-Waals-Bindung
(London'sche Dispersionskräfe) |
2 |
zwischen allen
Arten unpolarer und schwach polarer Moleküle |
Wasserstoffbrückenbindung |
20 |
zwischen
N-O-F-Verbindungen und einem ebenso gebundenen H-Atom |
|
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Tabelle 3: Graphischer Überblick zu Primär- und Sekundärbindungen |
Primärbindungen
|
kovalente Bindung oder Molekülbindung |
Ionenbindung |
Metallbindung |
unpolar |
polar |
|
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VdWK |
DDB |
WBB |
Sekundärbindungen |
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Alle Bindungsarten beruhen auf und benutzen
verschiedene Modellvorstellungen. Diese unterscheiden sich in der
Reichweite ihrer Erklärungsraums und in ihrer Komplexität. Verschiedene
Autoren teilen zudem die Sekundärbindungskräfte anders ein und
unterscheiden nur zwischen DDB- und VdW-Bindungen. Eine spezielle Art der
DDB ist dann die WBB, eine spezielle Art der VdWK ist dann die VdWB unter
unpolaren Molekülen (sog. Dispersionskräfte). |
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Literaturangaben:
M. Tausch, M. v. Wachtendonk: Chemie I; C.C. Buchner, Bamberg
F. Seel: Atombau und chemische Bindung, F. Enke-Verlag, Stuttgart
P. W. Atkins, J. A. Beran: Chemie - einfach alles; VCH, Weinheim
R. E. Dickerson, H. B. Gray, G. P. Haight: Prinzipien der Chemie;
Walter de Gruyter, Berlin
G. Graeb: Reaktionen und Mechanismen - Organische Chemie 1 in der
Kollegstufe, DBV, München
W. J .Moore, D.O. Hummel: Physikalische Chemie; de Gruyter, Berlin |
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