Bei Erhöhung der Temperatur einer chemischen
Reaktion erhöht sich allgemein die Reaktionsgeschwindigkeit. Es gilt die
Faustregel: Bei Temperaturerhöhung um 10 ° erhöht sich die
Geschwindigkeit um das Doppelte!
Problemstellung:
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Welcher quantitative Zusammenhang
besteht zwischen einer Temperaturerhöhung um 10 ° und der
Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit? |
Bekannt ist, dass eine Temperaturerhöhung eine
Vergrößerung der Teilchengeschwindigkeit mit sich bringt. Dies führt
wiederum zu häufigeren
Zusammenstößen zwischen den Teilchen, die zu den Reaktionsprodukten
führen. Vergleicht man jedoch z.B. die Reaktionsgeschwindigkeit der
Reaktion von Salzsäure mit Magnesium bzw. Zink, so stellt man bei
gleichen Ausgangsbedingungen (Konzentration der Säure, Oberfläche des
Metalles, Temperatur) fest, dass das System Salzsäure- Magnesium
wesentlich schneller reagiert als das System Salzsäure-Zink.
Mit der bisherigen Modellvorstellung lässt sich dieser
Unterschied nicht erklären, denn: gleiche Ausgangsbedingungen bedeuten, dass
in beiden Reaktionssystemen pro Zeiteinheit die gleiche Anzahl von
Zusammenstößen der H+-Ionen mit der Metalloberfläche erfolgen
muss - und daher die gleiche Reaktionsgeschwindigkeit zu
erwarten wäre, wenn man stillschweigend voraussetzt, dass jeder Zusammenstoß
der Reaktionspartner zur Reaktion führt.
Für die nun notwendige
Überprüfung der Modellvorstellung gibt es zwei Wege:
A: Die Diskrepanz zwischen Modell und Realität
wird durch Erweiterung der Modellvorstellung aufgehoben.
B: Es wird eine neue Modellvorstellung
entwickelt.
Die Erweiterung der bisherigen
Modellvorstellung (Stoßmodell) könnte darin bestehen, dass man
zwischen erfolgreichen und erfolglosen Zusammenstößen unterscheidet.
Grundsätzlich scheint es jedoch vernünftig zu sein, das Stoßmodell
beizubehalten, denn ohne Zusammenstöße kein Elektronenaustausch und damit
keine chemische Reaktion! Akzeptiert man die Erweiterung (erfolglose und
erfolgreiche Zusammenstöße), dann scheinen im System Magnesium-Salzsäure
mehr erfolgreiche Stöße abzulaufen.
Was sind nun die
Voraussetzungen für erfolgreiche Zusammenstöße und wann ist ein
Zusammenstoß erfolglos? Zur Klärung dieser Frage sind Überlegungen
anzuführen, die die Physiker R.
Claudius (1822-1888), der Chemiker A. W. Krönig (1822-1879),
der englische Physiker J. C.
Maxwell (1831-1879) und der österreichische
Physiker/Chemiker L. Boltzmann (1844-1906) angestellt haben, und
die in der sog. Kinetischen Gastheorie zusammengefasst werden.
Die Kinetische Gastheorie
Moleküle haben in einem bestimmten Gasvolumen bei
konstanter Temperatur unterschiedliche Geschwindigkeiten und damit
unterschiedliche kinetische Energien, und das aus zwei Gründen:
1. Die mittlere Geschwindigkeit eines Moleküls
ist mit seiner kinetischen Energie durch die Beziehung Ekin =
1/2 m*v2
verknüpft. Dabei ist m die Masse des Moleküls. Die mittlere
kinetische Energie
Ekin
der Teilchen und die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen lassen sich nun
mit der Temperatur in Verbindung bringen über folgende Überlegung:
Betrachtet man ein Gas mit NL = 6,023*1023 Teilchen
(1 Mol) im Molvolumen Vmol und hat das Molvolumen Vmol
die Form eines Quaders mit der Stirnfläche A, dann haben in diesem
Molvolumen die Moleküle die Molekülmasse m und die mittlere
Geschwindigkeit v. Das Gas steht wie jedes Gas in einem
abgeschlossenen Volumen unter einem bestimmten Druck p und hat die
Temperatur T. Der Druck p auf die Wand des Quaders kommt nun dadurch
zustande, dass die |
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Moleküle dort aufprallen und jeweils einen
Impuls P übertragen. Man betrachtet nun im weiteren diejenigen Moleküle,
die in einer bestimmten Zeitspanne dt ihren Impuls P = 2 * m *
v auf die Stirnfläche A übertragen. Geht man weiter davon aus, dass
die Bewegung der Moleküle eine regellose, ungeordnete, aber von Stoß zu Stoß
geradlinige Bewegung ist, kann jede beliebige Richtung in drei Komponenten
in Richtung der Raumachsen zerlegt werden. Vereinfacht kann also gesagt
werden, dass die Moleküle sich nur längs der drei Achsen im Raum bewegen
sollen. Das bedeutet aber, dass sich nur 1/6 der NL-Teilchen
auf die Stirnwand A hin bewegen. In einer bestimmten Zeit dt werden nun nur
die Moleküle ihren Impuls auf die Stirnwand A übertragen, die höchstens eine
Entfernung von v*dt von der Stirnwand |
haben. v*dt
entspricht einer bestimmten Strecke. Die Zahl der Teilchen in dem
Volumen A*v*dt (Volumen = Fläche*Höhe) ist N. Davon bewegen sich N/6 auf
die Stirnwand zu. Für die Teilchendichte C gilt dann: C = N/V =
N/(A*v*dt) !
Umgekehrt folgt daraus: C*V = NL für alle Teilchen.
Für den Impuls dP,
den N/6-Teilchen auf die Stirnwand mit der Fläche A übertragen, gilt nun:
dP = N/6 * 2 * m *v oder:
dP = 1/6 * C *
A * v * dt * 2 * m* v
Der
Differentialquotient dP/dt stellt die Kraft dar, die auf die
Fläche A wirkt.
So folgt weiter: dP/dt = F = C/3 * A *v 2 * m . Der
Druck p ist als Kraft durch Fläche definiert. Also gilt:
p = F/A = C/3 *v 2 * m .
Werden beide Seiten mit dem Volumen V multipliziert,
ergibt sich: p * V = C/3 *v 2 * m * V
C * V ist aber NL, also das Molvolumen, in dem sich NL-Teilchen
befinden.
Da NL * m = M ist (m = Masse eines Teilchens, M = Molare
Masse des Stoffes), erhält man:
p * V = 1/3 *v 2 * M .
Unter Verwendung des
allgemeinen Gasgesetzes in der Form p * V = R * T * n (mit n
=1, da NL-Teilchen im Molvolumen betrachtet werden), ergibt sich:
p * V = R * T = M/3 *v 2 . Das bedeutet, dass die mittlere
Geschwindigkeit der Moleküle der Wurzel aus der Temperatur proportional ist:
v = (3*R*T/M)1/2
.
Es gilt aber auch: Ekin = 1/2 * M *v 2
. Die mittlere kinetische Energie Ekin aller NL-Teilchen
ist dann:
Ekin
= 1/2 * M * 3*R*T/M = 3/2 * R * T .
Das bedeutet,
dass die mittlere kinetische Energie der Temperatur direkt proportional
ist und unabhängig von der Teilchenmasse.
Die mittlere kinetische Energie eines Moleküls
ist dann gegeben durch: Ekin = 3/2 * R/NL * T
Arbeitsaufträge:
1. Berechne die mittlere Geschwindigkeit von O2-, H2-
und Br2-Molekülen bei 300 K.
2. Berechne die mittlere Geschwindigkeit dieser Gase bei 310 K.
3. Welche mittlere kinetische Energie kin haben 1 Mol Gasmoleküle
bei 100 K, 300 K, 310 K und 3000 K?
Zusätzliche Angabe: Die allgemeine Gaskonstante R beträgt:
R= 0,00831 kJ * K-1 *mol-1 und: 1 J = 1 kg * m2
* s-2; daraus folgt: R = 8,31* J/(K*mol) = 8,31* kg*m2/(s2*K*mol)
Hinweis:
Unter Energie wird die mittlere kinetische Energie verstanden, dasselbe gilt
auch für die Geschwindigkeit!
Quelle: W. Jansen, B. Ralle, R. Peper:
Reaktionskinetik und chemisches Gleichgewicht, Aulis-Verlag, Köln 1984,
Text leicht verändert |
update am
02.02.2021
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