Die Radikalische
Substitution verläuft bei allen Halogenen nach dem selben Mechanismus,
allerdings mit einigen wesentlichen Unterschieden.
1. |
Reaktionen mit
Fluor verlaufen so heftig, dass in der Regel
das C-C-Molekülgerüst zerbricht: In Fluorgas „verbrennen“ die Alkane, so
dass in der Regel nur Molekülbruchstücke erhalten werden. |
Abb. 1: Reaktivität der Halogenradikale |
2. |
Iod
dagegen bildet Radikale, die so wenig reaktiv = so stabil
sind, dass sie die Kettenreaktion nicht fortführen. Iod wird deswegen
als „Inhibitor“ (Reaktionshemmer) verwendet. |
3. |
Chloratome
sind reaktiver als
Bromatome:
mit einem Chlor-Atompaar können über 100 000 Alkan-Moleküle umgesetzt
werden, mit einem Brom-Atompaar sind es 2-20 Alkan-Moleküle.
Chlorierungen verlaufen deswegen viel schneller als Bromierungen.
Chlorierungen sind deswegen aber auch viel
weniger selektiv
als
Bromierungen. Die Verteilung an halogenierten Isomeren eines Alkans ist
also bei der Chlorierung und der Bromierung nicht identisch.
Chlorradikale sind wesentlich weniger „wählerisch“ als Bromradikale. |
Tab.1.: Relative Reaktivitäten von Cl- und Br-Radikalen mit
C-H-Bindungen unterschiedlicher C-Atome |
4. |
An einem tertiären C-Atom sind Bromierungen stark bevorzugt, weniger
an einem sekundären und sehr wenig an einen primären C-Atom. Bei
Chlorierungen sind diese Unterschiede wesentlich weniger stark
ausgeprägt: dem Cl-Radikal ist es „egal“, wo es am Alkan-Molekül
reagiert. Brom-Radikale sind also „selektiver“ als Chlor-Radikale. |
5. |
Grundlage dieses „selektiven“ Verhaltens der
Brom-Radikale ist die unterschiedliche Stabilität der in der
Kettenreaktion entstehenden
Alkylradikale: die stabilsten Alkylradikale sind die des Typs R3C•, also
tertiäre Alkylradikale, am wenigsten stabil sind Methyl-Radikale CH3• :
Je stabiler ein Radikal, desto leichter wird es gebildet, desto geringer
ist die Aktivierungsenergie zu seiner Erzeugung. Der Übergangszustand zu
seiner Bildung ist umso stabiler, je stabiler das Radikal ist. Im
Übergangszustand der Reaktion ist die C-H-Elektronenpaarbindung schon
teilweise gelöst und die H-Hal-Bindung bereits teilweise gebildet. Im
selben Ausmaß, wie die Bindung gespalten wird, bekommt die Alkylgruppe
die Radikaleigenschaft. Faktoren, die das Radikal stabilisieren, senken
daher auch die Energie des entstehenden Radikals im Übergangszustand.
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6. |
Die relativen Stabilitäten tertiärer, sekundärer und
primärer Alkylradikale lassen sich dadurch erklären,
dass das ungepaarte
Radikal-Elektron delokalisiert wird: sein Aufenthaltsraum verbindet sich
partiell mit dem einer C-H-Bindung. Diese Art der Verteilung von
Bindungselektronen im Raum wird als Hyperkonjugation bezeichnet, ohne
das „Orbitalmodell“ ist diese Bindung nicht weiter erklärbar. |
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